Institut für Urbanistik veranstaltet Fachtagung für Jugendämter: Kinder stanzen und abheften

tjaden, den 12. April 2009
Ursula von der Leyen
Ursula von der Leyen, Foto: Heinz-Peter Tjaden

Das Institut für Urbanistik veranstaltet am 23. und 24. April 2009 in Berlin eine Fachtagung auch für Jugendämter. Thema: „Das Jugendamt im Spiegel der Medien“. Dazu werden in der Einladung viele Fragen gestellt, möglicherweise, weil für viele dieser Behörden nicht gilt, was laut Institut für Urbanistik für Presse, Funk und Fernsehen gilt: Die Dinge sind im Fluss.

Denn: Viele Jugendämter erstarren, wenn es Probleme gibt. Oder sind fast bewegungsunfähig, weil es an Geld und Personal fehlt. Oft gilt beides. Und bei manchen Anrufen, die ich als Redakteur bekomme, lege ich die Ohren an. So berichtet eine Großmutter, die für ihre Tochter und somit für ihre Enkelin in die Bresche springt, über das Jugendamt, das sie immer häufiger besucht: „Von denen hat niemand ein Kind.“

Sachdienliche Hinweise erbeten

Wie aber will jemand über das so genannte „Kindeswohl“ mitentscheiden, wenn sie oder er keine Erfahrung im täglichen Umgang mit jenen Geschöpfen hat, die allmählich aus den Windeln wachsen, durch die Bude krabbeln, endlich ihre ersten Schritte machen und an einer Schublade Halt suchen, deren Inhalt sich im nächsten Moment auf den Teppich ergießt, dann Papa und Mama sagen, bis sie so viele Wörter beherrschen, dass sie in einem gewissen Alter für sich entscheiden: „Mach ich nicht“? Kindererziehung als graue Theorie führt allzu oft zu entsprechenden praktischen Entscheidungen. Fehlt also nur noch dieses Plakat am Schwarzen Brett jener Jugendämter: „Was ist ein Kind? Sachdienliche Hinweise bitte an Büro…“

Während kleine Kinder nach Schubladen greifen, um nicht hinzufallen, verschwindet in so manchem Jugendamt ein Kind nach dem anderen in einer Schublade. Das eine ist angeblich zu lebhaft, das andere einfach zu lahm. Schon: Steht ein Gutachter auf der Matte, der sich im Höchstfall ein paar Stunden mit den Eltern unterhält und sich ein wenig im Umfeld umschaut, bis er Seiten füllt mit Antworten auf vorgestanzte Fragen von Familiengerichten. Manchmal sind schon diese Fragen verräterisch. Fragt nämlich ein Gericht, ob die Vermutung nahe liege, dass ein Kind unter einem Elternteil leide, weiß man schon fast, was diesem Elternteil blüht: Entzug des Sorgerechtes.

Nur vom Hörensagen

Das Meiste kennen diese Sachverständigen zudem nur vom Hörensagen, sie studieren Gesprächsprotokolle und andere schriftliche Zeugnisse, machen sich einen Reim darauf und dichten so entweder dem Vater oder der Mutter so viele Probleme an, dass die Klappe fällt. Darauf steht: „Erziehungsunfähig!“

Dann auch noch: fast immer Einzelgespräche, als gebe es nicht schon lange die Erkenntnis, dass Gruppenprozesse in die Analyse einbezogen werden müssten. Doch dazu fehlt allen Sachverständigen, mit deren Arbeit ich mich bislang auseinander gesetzt habe, offenbar die Zeit.

Hinzu kommt: der subjektive Faktor. Wäre ich Gutachter, wäre ich begeistert von Eltern, deren Kinder nicht als Duckmäuser aufwachsen, die mir bekannten Sachverständigen dagegen mögen eher stromlinienförmigen Nachwuchs. Gäbe es nur solche Mädchen und Jungen, würde das zwar die Arbeit dieser Sachverständigen erleichtern nach dem Motto: „Schablone rausholen und anlegen“, aber die lieben Kleinen, sie sind nur selten so.  Schlussfolgerung dieser Expertenschar: Der dafür Schuldige muss dingfest gemacht werden…


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